Eine unerträgliche Situation

19.06.20   Steffen Richter im OTZ-Gespräch

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Steffen Richter, Trainer der Landesklasse-Fußballer des FSV Grün-Weiß Stadtroda, bezeichnet die aktuelle Situation als unbefriedigend. Mehr noch. Sie sei für ihn unerträglich. „Als Fußballer brauchst du einen gewissen Druck im Training. Das gilt auch für die Landesklasse. Denn du willst am Wochenende spielen. Du willst gewinnen, du willst die drei Punkte mitnehmen. Von dieser Normalität sind wir meilenweit entfernt“, sagte der Sportfreund.

Trainer wollen und sollen ihre Spieler motivieren, auch in der zweithöchsten Landesspielklasse. Dazu setzen sie im Training neue Reize, um mit der Mannschaft zusammen ein erfolgreiches Wochenende zu erleben. Richter muss schmunzeln. „Aktuell funktioniert es nur über die Eigenmotivation der Spieler. Was will ich dem Spieler jetzt auch erzählen? Mit welchen Dingen soll ich den Spieler jetzt motivieren?"

Richter verglich die Situation mit einem Fitnessstudio. „Da weißt du wenigstens, dass du nach zwei oder drei Stunden deinen Körper gestählt hast. Wir Trainer haben im Moment trainingsmethodisch nur wenige Möglichkeiten, um unsere Spieler weiter zu entwickeln, um sie besser zu machen. Durch die Hygiene- und Abstandsregelungen sind uns die Hände gebunden. Es bringt Erwachsenenbereich jetzt hier auf Teufel-komm-raus das Dribbling mit den Ball zu trainieren. Das ist Sache für das Juniorentraining, aber nicht für erwachsene Menschen."

Stattdessen geht es aktuell bei den Einheiten der ersten Männermannschaft im Roda-Stadion in Stadtroda nur um freudbetonten Sport. „Wir versuchen, die Spieler bei Laune zu halten. Wir wollen Spaß vermitteln. Mit einem normalen Training, wie wir es bisher kannten, hat das nicht viel zu tun."

Und wie hält man junge Männer zwischen 18 und 30 Jahren, die voll im Leben stehen, bei Laune? „Wir bieten Fußballtennis an. Wir machen viele Torschuss Übungen. Viel mehr ist nicht drin. Und viel mehr ist auch nicht nötig. Es weiß ja jetzt noch keiner, ob die Saison wirklich Anfang September fortgesetzt wird“, sagte Richter.

Seine Meinung zum Dauer-Thema der vergangenen Wochen, ob die Saison bei den Erwachsenen im Thüringer Fußball fortgesetzt wird oder nicht, ist klar. Dabei steckt Richter ein wenig in der Zwickmühle. Er ist nicht nur Trainer einer Fußballmannschaft, er gehört auch zum neu gewählten Vorstand des KFA Jena-Saale-Orla. „Deshalb kann und werde ich jetzt auch nicht in der Öffentlichkeit vom Leder ziehen.

Als Trainer Steffen Richter kann ich nicht verstehen, warum 19 der 21 Landesverbände in Deutschland die Saison beenden und Thüringen setzt die Saison aus und führt sie weiter. Ich kann mir nicht erklären, warum wir in Thüringen diese Sonderrolle einnehmen."

Es stehe dem Verband nicht gut zu Gesicht, wenn es in der kommenden Oberliga-Saison keinen Aufsteiger aus Thüringen gibt. Als wichtigste Aufgabe sieht Steffen Richter zusammen mit seinem Trainerkollegen Peter Dauel den sozialen Aspekt bei den Trainingseinheiten von Grün-Weiß. Dieser Punkt steht im Vordergrund. Nach der wochenlangen Pause können wir uns wieder treffen. Die Jungs stehen sich gegenüber, sie reden miteinander. Das klingt im ersten Moment nicht spektakulär. Die soziale Komponente darf man nicht unterschätzen. Wir sind eine Mannschaftssportart."

Einen Fahrplan für den Re-Start hat Richter noch nicht aufgeschrieben. „Eigentlich wäre ja jetzt die Saison beendet. Am vorigen Sonnabend hätten wir in Saalfeld unser letztes Punktspiel absolviert. Wir wären in der Sommerpause. Die Realität sieht anders aus. Wir fangen jetzt wieder an. Dass jetzt die Urlaubszeit beginnt, dass sich Spieler jetzt nach und nach in die Ferien verabschieden, das kommt ja auch noch dazu.“

Verbandsbeschluss hinterfragt sich immer wieder neu

Steffen Richter ist viel zu viel Fußballer, dass er die jetzige Situation einfach so akzeptieren würde. Er spricht sehr oft darüber in seinem Bekanntenkreis. ,,Ganz klar. Ich habe im Fußball einiges erlebt. Ich kenne viele Sportfreunde, ich kenne viele Fußballer in Jena und Umgebung. Ich denke, die Stimmung in den Vereinen ist umgeschlagen“, sagte Richter

Er meinte die Abstimmung Anfang Mai, als der Vorstand des Thüringer Fußball-Verbandes Vertreter der Thüringer Vereine fragte, ob die Saison fortgeführt werden soll oder nicht. Nach der Auswertung gab es ein knappes Ja für eine Fortsetzung.

Ob es heute ein ähnliches Ergebnis geben würde, bezweifelt Richter. Viel wird über die Motivation der Spieler gesprochen, aber keiner fragt die Trainer. Richter nickte.

„Das ist eine sehr gute Frage. Man investiert ja auch als Trainer jede Menge Zeit in den Sport. Man ist dreimal in der Woche unterwegs, ist zwischen zehn und 20 Stunden weg von daheim, von der Familie. Da fragt man sich ab und an schon auch nach dem Warum. Warum mache ich das überhaupt?

Jens Henning/OTZ