So nah - am Ende doch so fern

12.08.19   OTZ-Spielbericht

»»Ostthüringer Zeitung

Pascal Wollnitzke nippte unmotiviert an seinem Bier. Mitunter schaute er aber auch nur mit leerem Blick in den Plastebecher, als ob es auf dessen Grund eine Erklärung für den Spielausgang geben würde. Ja, er wirkte regelrecht abwesend, irgendwo mit seinen Gedanken da auf der Terrasse des Roda-Stadions – nur nicht im Hier und Jetzt. Womöglich befand er sich in seinen Gedanken noch auf dem Platz, denn natürlich haderte der Verteidiger mit der Niederlage gegen Thüringen Weida. Und damit war er naturgemäß nicht der Einzige in den Reihen der Grün-Weißen am Sonnabend irgendwann nach 18 Uhr, als denn die epische Pokal-Schlacht, bei der alle Optionen ausgeschöpft werden mussten, endgültig Geschichte war.

Nicht weit von Pascal Wollnitzke saß Florian Klinger – und auch sein durch und durch leerer Blick sprach Bände. Auch er konnte wohl nicht fassen, dass am Ende Thüringen Weida die nächste Runde im Landespokal erreicht hatte – und zwar im Elfmeterschießen. Und bei besagtem Elfmeterschießen scheiterte Klinger gleich zweimal an Christoph Haase, da der Unparteiische das erste Unterfangen wiederholen ließ. Ihm missfiel das Agieren des Weidaer Schlussmannes. Genutzt hatte es nichts, auch der zweite Versuch von Florian Klinger war nicht von Erfolg gekrönt, sodass die Gäste vom Fuße der Osterburg nach ihrem anschließend erfolgreich verwandelten Elfmeter erstmals an diesem Tag in Führung gingen – 7:6. Als schließlich Martin Rennert den Ball gen Wald schoss, hatte danach Tobias Metzner die Chance, sein Team in die nächste Runde des Pokals zu katapultieren – und er traf. Endstand: 9:7 für Thüringen Weida. Ja, ausgerechnet Metzner, der noch vor zwei Jahren für Grün-Weiß Stadtroda spielte und am Sonnabend zum ersten Mal wieder im Roda-Stadion auflief. „Es war etwas Besonderes, hier wieder zu spielen“, betonte Tobias Metzner, der auch darauf verwies, dass es seinem Team immer wieder gelungen sei, nach Rückschlägen – gleich ob Gegentor oder Entscheidung des Schiedsrichters – zurückzukommen. Deshalb sei der Sieg für Weida auch verdient gewesen.

Weder Pascal Wollnitzke noch Florian Klinger wollte man nun in diesen Momenten da oben auf der Terrasse beim stillen und nach innen gerichteten Leiden stören. Etwas abgeklärter wirkte da schon Kapitän Karl Grohs, der an diesem Tag mal wieder der überragende Protagonist bei Stadtroda war. Er schoss drei Tore (13./41./95.), hätte mindestens noch zwei weitere erzielen können, traf beim Elfmeterschießen und setzte phasenweise allein mit seiner bloßen Anwesenheit im Sturmzentrum seine Gegenspieler massiv unter Druck. „Wenn man sich den Spielverlauf ansieht, wird deutlich, dass wir das Spiel binnen 90 Minuten hätten entscheiden müssen. Die letzten Gegentore hätten wir niemals bekommen dürfen“, so das Resümee des Kapitäns. Am Ende müsse man sich eingestehen, dass sich Weida den Sieg zweifelsohne verdient habe, führte Karl Grohs weiter aus, der jedoch, Gentleman durch und durch, auch darauf verwies, dass es allemal ein krasses und auch faires Pokalspiel gewesen sei – leider mit dem schlechteren Ende für Stadtroda 

Von jenem bitteren Ende war in der 86. Minute noch nichts zu erahnen. Da war die Welt des Gastgebers noch in Ordnung, ja geradezu perfekt. Robin Gerdemann, der für ein halbes Jahr anlässlich eines Praktikums in Irland verweilen wird, traf in seinem vorläufig letzten Spiel für die Hausherren zum 4:2. „Ich habe mich riesig über den Treffer gefreut, habe aber schon gespürt, dass es noch einmal eng werden wird“, sagte Robin Gerdemann, der kurz nach seinem Treffer ausgewechselt wurde und die folgenden Ereignisse nur noch als Zaungast erlebte. „Das war harte Kost. Ich konnte mir das gar nicht anschauen, habe einen Großteil der Verlängerung damit überbrückt, verschossene Bälle zu suchen“, berichtete der Student der Wirtschaftswissenschaften, der wohl erst im kommenden März zur Rückrunde wieder das Trikot der Möhre tragen wird. „Ich werde die Jungs auf jeden Fall vermissen, wir sind eine geile Truppe“, so Gerdemann.

Bereits nach 45 Minuten sah es recht vielversprechend für Stadtroda aus, führte man doch mit 3:1. Zwar kassierte der Gastgeber in der 55. den Anschlusstreffer durch Maximilian Wetzel zum 3:2 und hatte generell während der regulären Spielzeit mehr als nur einmal Glück, da die Gäste mindestens drei Großchancen nicht in etwas Zählbares verwandeln konnten, doch nach dem Treffer von eben Gerdemann in der 86. Minute schien Grün-Weiß endgültig auf der Siegerstraße flanieren zu dürfen. Ja, in jenem Moment glaubte wohl niemand mehr daran, dass Thüringen Weida noch einmal zurückschlagen würde – klassischer Fall von Denkste: zuerst verkürzte Tobias Metzner (89.), anschließend egalisierte Maximilian Wetzel (92.) zum 4:4. Dem einen oder anderen Fan von Stadtroda schwante danach nichts Gutes.

In der Verlängerung war es erneut das Team von Steffen Richter und Peter Dauel, welches für sich die Führung beanspruchen konnte. Karl Grohs verwandelte in der 95. Minute souverän vom Elfmeterpunkt. Dem Strafstoß war laut Schiedsrichter ein Foul an Stadtrodas Maximilian Klose vorausgegangen – doch das sahen insbesondere die Gäste anders. Es folgte ein verbaler Schlagabtausch zwischen Schiedsrichter, Trainer Rico Pellmann und Spielern von Weida. Am Ende musste Nick Pohland den Platz verlassen. In der 106. Spielminute egalisierte erneut Maximilian Wetzel zum 5:5. Nach dem Tor stand Simon Fuchs, der das 1:0 (3.) erzielte und die Vorarbeit für das 2:0 (13.) von Karl Grohs leistete, fassungslos da. „Das kann doch nicht wahr sein“, sagte der Stürmer. In der 112. Minute glaubten schließlich die Gäste, dass sie nun die Führung innehätten, als denn Tobias Metzner beherzt abzog, das Leder an die Latte krachte und von dort den zum Tor gewandten Niklas Padutsch traf, der so seine liebe Not hatte, den Ball unter Kontrolle zu bekommen. Man kann nun inbrünstig darüber streiten, ob der Ball während der Padutschen Rettungsaktion irgendwann einmal über der Linie war, Fakt war jedoch, dass der Schiedsrichter kein Tor gab – und danach lagen die Nerven bei den „Jungs von der Osterburg“ komplett flach. Das allgemeine Palaver mutierte zum regelrechten Rap-Battle. Am Ende musste Weidas Tim Urban mit direkt Rot den Platz verlassen. Es blieb beim 5:5. Ergo: Elfmeterschießen.

„Wir sind sicherlich selbst schuld, doch am Ende kann ich der Mannschaft keinen Vorwurf machen. Sie hat sich gegen ein höherklassiges Team lange Zeit behauptet“, resümierte Co-Trainer Peter Dauel.

Überschattet wurde das Pokalspiel indes von der Verletzung von Innenverteidiger Johannes Carl in der 23. Minute, der sich bei einem Sturz den Ellenbogen ausgekugelte. Der Notarzt musste gerufen werden, die Partie ruhte für über 20 Minuten. „Das ist total bitter für ihn, zumal das auch noch bei seinem Debüt für uns passiert ist“, sagte Peter Dauel.

Ach ja, ob denn der Ball nach seinem Schuss in der 112. Minute die Torlinie überquert hatte, konnte Tobias Metzner auch nicht beantworten. Das habe er schlichtweg nicht sehen können. Und was ging ihm beim seinem Elfmeter durch den Kopf, der Weida letztlich den Sieg bescherte? „Gar nichts. Ich habe einfach alles um mich herum ausgeblendet und geschossen.“
OTZ/Markus Schulze